Wo Steuersünder ihr Geld verstecken!

Es gibt nicht nur die Schweiz, Liechtenstein oder ein paar windige Karibik-Inseln: Die wirklich starken Steueroasen lassen sich schwer knacken. Ein kleiner Führer für den modernen Steueroptimierer.

Der Finanzdistrikt von Singapur. Der Stadtstaat empfiehlt sich den Anlegern mit einer Kombination aus Zuverlässigkeit, Effizienz und touristischer Attraktivität.

Natürlich kann man mit seinem Geld auch auf die bekannten Schatzinseln flüchten, man kann in die troischen, suptropischen oder mediterranen Steuerparadiese: Sie heissen Anguilla, Cayman Islands oder Nauru, Belize und Panama, San Marino oder Andorra. Aber ehrlich gesagt: Möchten Sie Ihre Millionen dort parkiert haben? Würden Sie da ruhig schlafen?

Eben. Dass EU, USA, OECD oder G20 sich jetzt auf die Schweiz einschiessen, hat auch damit zu tun, dass das Land den Reichen dieser Welt Zuverlässigkeit, Stabilität oder einen funktionierenden Rechtsstaat bietet – also besonders attraktiv ist.

Zuverlässigkeit und tiefe Steuern
Vergessen geht dabei, dass weitere Geldverstecke längst dasselbe haben: tiefe Steuern, keine Chance für den Finanzminister zuhause und obendrein die Zuverlässigkeit eines starken Staates.

Hier eine kleine Auswahlliste für moderne steuerbewusste Anleger:


Singapur:
Inzwischen nennt man den südostasiatischen Stadtstaat auch das «Genf von Asien». Denn dieses Finanzzentrum hat sich ebenfalls auf Vermögensverwaltung spezialisiert. Über hundert Geschäftsbanken werben hier um reiche Kunden, darunter renommierte Schweizer Institute wie Julius Bär, Sarasin, UBS und CS. Das Bankgeheimnis ist streng, längst gilt es als undurchdringlicher als das Schweizer Vorbild: Bei Steuerbetrug oder Geldwäscherei schützt es im Prinzip zwar ebensowenig, aber es wird nur aufgehoben, wenn einheimische Gesetze verletzt werden. Und da man als Ausländer mit fremdem Wohnsitz in Singapur ohnehin keine Steuern bezahlt, kommt man nicht so einfach mit den dortigen Steuergesetzen in Konflikt...

Im übrigen bietet der Stadtstaat allerlei günstige Voraussetzungen für den Steuerflüchtling von Welt: einen grossen Interkontinental-Hub, politische Ruhe, und die Banken sind sogar zu europäischen Bürozeiten besetzt. Vor allem: Der Stadtstaat, 4,5 Millionen Einwohner gross und enorm finanzstark, kann Drohungen von Nicolas Sarkozy oder Gordon Brown relativ gelassen wegstecken.

Delaware:
Was Liechtenstein kann, können die USA schon lange. Der Bundesstaat Delaware ist nicht nur eine Steueroase, sondern er bietet wunderbare Formen der Anonymität. Im Grunde funktionieren die Delaware Companies ähnlich den Liechtensteiner Stiftungen: Der wirtschaftlich Berechtigte kann einen Treuhänder einsetzen; man darf unter einem Firmendach diverseste wirtschaftliche Tätigkeiten vereinen; die Generalversammlung lässt ich bequem per Brief abhalten; und Delaware verlangt nicht einmal, dass man vor Ort eine Buchhaltung führt. Was am Wichtigsten ist: Wenn eine Firma im Bundesstaat selber nicht aktiv wird, muss sie auch keine Gewinnsteuern bezahlen.

Kein Wunder, dass im kleinen Ostküstenstaat rund 600'000 Firmen auf 875'000 Einwohner kommen. In den Neunzigerjahren soll Delaware bei der russischen Mafia sehr beliebt gewesen sein (ein Problem, das sich mit der Etablierung der Mafia in Russland etwas beruhigt hat). Einzelne Staaten - etwa Brasilien - haben Delaware schon auf ihre Schwarze Liste der dubiosen Steuerparadiese gesetzt. Wollte die EU gegen die Zustände dort vorgehen wollen, fände sie seit Kurzem einen hochrangigen Gesprächspartner in Washington: Vizepräsident Joe Biden stammt aus Delaware. Was die Sache für die Europäer kaum leichter macht.

Die Kanalinseln:
Das Völkerrecht erlaubt der britischen Regierung eine gewisse Wendigkeit. Sie kann gegen die Schweiz wettern – und zugleich so tun, als ob Jersey, Guernsey, Isle of Man plus diverse Karibikinseln unter dem Union Jack sie nichts angehen. Denn besagte Inseln sind zwar very british, zugleich unterstehen sie direkt der Krone und haben deshalb eine eigene Rechtssprechung. Jersey, Guernsey oder die Isle of Man gehören folglich auch nicht zur EU.

Die Angebote dieser Steueroasen sind unterschiedlich, zum Beispiel kennt Guernsey ein Bankgeheimnis, Jersey jedoch nicht. Doch sie alle offerieren dem globalen Steueroptimierer die interessante Rechtsform des Trusts. Wer will, kann sein Vermögen solch einem Trust anvertrauen, natürlich sehr diskret: Gegen aussen tritt ein Treuhänder in Erscheinung. Verdient der Trust sein Geld ausserhalb der Kanalinseln, und ist der wirtschaftlich Berechtigte ein Ausländer, so muss er keine Steuern bezahlen.

Den langfristig denkenden Anleger mag höchstens beunruhigen, dass die Regierung in London einmal die Geduld verliert und wegen der diskreten Inseln bei Ihrer Majestät vorstellig wird. Schliesslich entgehen auch London happige Steuereinkünfte durch die Trusts. Britische Bürger nutzen sie zum Beispiel, indem sie ihr Haus einfach einer Guernsey-Firma überschreiben und dort versteuern. Und immerhin verwalten die Kanalinseln über 1 Billion Franken an ausländischen Vermögen – also rund ein Viertel soviel wie die Schweiz.

Hongkong:
70 Prozent aller internationalen Grossbanken haben einen Ableger in Hongkong. Die Erträge der Konten werden nur besteuert, wenn das Geld in Hongkong verdient wurde. Und während die Schweiz brav Quellensteuern an die Heimatländer ihrer Kunden abführt, während sie sich an Doppelbesteuerungsabkommen hält und Amtshilfe leistet, geben sich die Behörden in Hongkong eher undurchdringlich. Im Hintergrund steht die Absicht der Chinesen, Hongkong als eigenes Finanzzentrum von Weltrang zu etablieren und zu einer soliden Geldquelle für die eigene Wirtschaft zu machen.

Die EU bemüht sich darum, ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Hongkong zu erreichen, wobei die Möglichkeiten, den Chinesen à la Peer Steinbrück mit der Peitsche zu drohen, recht beschränkt sind. Auf der anderen Seite muss der langfristig denkende Steueroptimierer in Hongkong gewisse politische Unsicherheiten in Kauf nehmen.