Die gedopten Supermanager

Wer denkt, Doping beschränke sich auf Sportstadien und Radrennen, liegt falsch. In den Büros hat Hirndoping Einzug gehalten. Mit Medikamenten versuchen Manager, länger wach zu bleiben, die Konzentration zu steigern und ihre Angst zu dämpfen.
Usain Bolt sprintete am Wochenende in 9,58 Sekunden über 100 Meter und lässt die Kritikerguilde über leistungssteigernde Substanzen spekulieren. Doch Doping ist länst nicht mehr nur im Spitzensport zum Problem geworden, Doping hat hat auch in den Büros Einzug gehalten. Was nebenbei zur Beruhigung oder zur Konzentrationssteigerung mit dem Kaffee eingeworfen und unter Medikamentennamen wie Ritalin, Modasomil oder Fluoxetin verniedlicht wird, hat in Fachkreisen einen Namen: Hirndoping. Das Hauptziel dabei: Konzentration und Wachheit steigern, Angst dämpfen und sich beruhigen.
Medikamente für mehr Grips
Im deutschen DAK-Gesundheitsreport 2009 gaben bereits 5 Prozent der Erwerbstätigen offen zu, am Arbeitsplatz zu dopen. Mehr als jeder Fünfte der 3000 Befragten hat persönlich die Erfahrung gemacht, dass ihm leistungssteigernde Medikamente ohne medizinische Beschwerden empfohlen wurden. Immerhin 44 Prozent wussten, dass Medikamente, die zur Linderung von krankhaften Gedächtniseinbussen oder Depressionen eingesetzt werden, auch bei Gesunden wirken können.
Insbesondere der Aufmerksamkeitssteigerer Methylphenidat (Medikamentenname: Ritalin) und der Muntermacher Modafinil (Medikamentenname: Modasomil) werden laut Studienautoren als Hirndoping missbraucht. Ein Viertel der Krankenversicherten mit einem entsprechenden Rezept wies keine Diagnose auf, die den Einsatz der Medikamente rechtfertigen würde. Beim Anti-Demenzmittel Piracetam waren es gar 97 Prozent.
Die These wird von einer ebenfalls dieses Jahr durchgeführten britischen Internetumfrage bei Wissenschaftlern gestützt. Einer von fünf Befragten gab an, schon Methylphenidat (Ritalin) oder Modafinil (Modasomil) eingenommen zu haben, um die Gedächtnisleistung zu steigern beziehungsweise wach zu bleiben.
Selbstüberschätzung droht
Als besonders empfänglich für die verschreibungspflichtigen chemischen Helfer gelten Berufsgruppen mit hoher geistiger Leistungsbeanspruchung, anhaltendem Leistungsdruck und grosser psychischer Belastung; im Besonderen Manager und Börsianer. «Medikamente wie Beruhigungsmittel und aufputschende Substanzen scheinen vor allem bei international tätigen Managern weit verbreitet zu sein», beobachtet ein Headhunter einer renommierten Schweizer Headhunter-Firma, wie er gegenüber 20 Minuten Online sagt.
Trotz dieser Indikatoren zeigen sich die Schweizer Unternehmen allerdings wenig interessiert am Thema Hirndoping. Credit Suisse, Julius Bär oder Pictet priorisieren die Privatsphäre ihrer Mitarbeitenden höher, wie es auf Anfrage heisst. Die Bank EFG kommentiert die Anfrage überhaupt nicht. Einzig die UBS bietet im Rahmen des betrieblichen Präventionsprogrammes spezielle Schulungen.
Dabei kann sich das Desinteresse der Firmen verheerend auswirken. «Aus militärischen Anwendungen ist zwar bekannt, dass Piloten mit Modafinil 37 beziehungsweise 40 Stunden ohne Schlaf alle erforderlichen Manöver sicher ausführen konnten. Bei längerer Schlafentzugsdauer bis 88 Stunden konnte jedoch nur ein milder Effekt aufrechterhalten werden»; sagt Karl Speiser, Belegarzt für innere Medizin und Kardiologie an der Zürcher Klinik Hirslanden.
Die Gefahr der Selbstüberschätzung ist deshalb gross. Denn schon täglich eine halbe Stunde zu wenig Schlaf wirkt sich laut Schlafforschern nach zwei Wochen aus wie 0,8 Promille Alkohol im Blut. Wer in einem solchen Zustand wichtige Unternehmensentscheide fällt, ist unter Umständen nicht voll zurechnungsfähig, ohne es selbst zu merken.