Rad Tour

Berg- oder Pässefahrten sind die Königsdisziplin im Radsport.

Die grossen Rundfahrten werden in den Bergen entschieden, allen voran die Tour de France.
Gerade diese Woche führt die aktuelle Tour in die Alpen, wo sich der Kreis der Favoriten entscheidend einengt, bevor sich voraussichtlich der endgültige Sieger in den Pyrenäen herauskristallisieren wird.

Ich selbst bin hauptsächlich der Pässefahrten wegen dem Radsport verfallen; lebte ich in Südafrika oder Holland, würde ich das Velo wohl nur als praktisches Transportmittel benützen. Zwar finde ich die flache (oder auch kaum besser: hügelige) Anfahrt zum Pass meist nur als anstrengend. Kommt dann noch Gegenwind hinzu, so tun mir rasch alle möglichen und unmöglichen Körperstellen weh.

Und dann ist da auch noch der Verkehr.
Die Bergfahrt selbst ist herrlich: In einem regelmässigen Rhythmus, den zu definieren mir meist nicht schwer fällt, bergauf zu pedalen, und dabei die alpiner werdende Umgebung zu geniessen, um danach als Belohnung für die Anstrengung die Kurven herunter zu fliegen, gehört für mich zu den schönsten Freizeitbeschäftigungen.

Besonders an Wochenenden ist jedoch leider auch in der Steigung nichts vom Vogelgezwitscher und dem Plätschern der Bergbäche zu hören – umso lauter dafür das Dröhnen der Motorräder. Nirgendwo, habe ich den Eindruck, sind die Töffs so zahlreich und aggressiv unterwegs wie in der Schweiz und Italien. Es gibt nämlich auch die gemütlichen Töff-Jungs, die ruhig durch die Berge tuckern und überhaupt nicht stören. Der aggressive Lärm aber nervt – umso mehr, je grösser die Anstrengung beim Radeln bereits ist. Offenbar bin ich aber auch älter und anspruchsvoller (oder empfindlicher) geworden – früher hat mich der Krach nicht derart gestört. Heute kann ich eine Passfahrt in Lärmkulisse nicht mehr geniessen, statt Entspannung finde ich etwas, das eher Richtung Genervtheit geht.

Als Konsequenz radle ich nur noch selten und wohlüberlegt über die schönen Alpenpässe. An Wochenenden kommt beispielsweise der Pragelpass in Frage – der ist samstags und sonntags für den motorisierten Verkehr nicht durchgehend befahrbar. Macht man von Glarus aus dem Umweg über die Schwammhöchi, kann man auch den Verkehr bis zum Klöntalersee vermeiden. Ein Trick ist auch, besonders früh aufzustehen, um vor den Auto- und Töfffahrern (in der Regel so ab 10 Uhr) unterwegs zu sein.

Oder das Passfahren unter der Woche: Der einzige Nachteil dabei ist, dass bei der Anfahrt im Flachland viel mehr Schwerverkehr an einem vorbeidonnert als an Wochenenden. Auf einer solchen Tour über die Ibergeregg an einem Donnerstag war die Stimmung nach rund 50 km in Schwyz vor dem Aufstieg bereits völlig im Keller. Als ich meinem Kollegen Ernsti aus der Bäckerei einen lachenden Spitzbuben brachte, fand er, einer mit einem «Lätsch» sei passender.

Ohne lange Anfahrt aber sind Passfahrten unter der Woche durchaus eine tolle Sache. Mit guter Planung kann man auch Einmaliges erleben. Dieses Jahr beispielsweise konnte ich am Tag vor der Öffnung auf den Klausenpass radeln. Ein andermal war der Albulapass noch wegen Bauarbeiten gesperrt, auf den Zweirädern kamen wir aber problemlos und ungestört drüber.

Ein weiteres Highlight sind die durch den Verein Freipass organisierten Passtage für Velofahrer. Nur sind das leider viel zu seltene Ereignisse, in die der Verein teilweise jahrelanges Lobbying steckt. In der Schweiz gibt es 2012 zwei Freipässe: den Slowup Albula und den Freipass Klausen, beide im September. Das Fernziel von Freipass ist, an jedem Wochenende einen Pass für den nicht-motorisierten Verkehr freizuhalten, alle anderen Pässe würden den motorisierten Plauschfahrten noch immer zur Verfügung stehen. Dieses pragmatische Ziel ist leider noch in weiter Ferne.

Als ruheliebender Gümmeler muss man sich sicher auch eingestehen, dass die Strassen nicht für die Rennvelopneus über die Alpen gelegt wurden. Und dass, wer Verkehrslärm nicht mag, sich halt ein Mountainbike kaufen soll. Ich habe das nun auch getan. Und trotzdem: Ich setze mich viel lieber aufs Rennrad, es fährt sich halt so herrlich leicht!